Warum glückliche Paare sich gegenseitig beeinflussen dürfen

Es sind oft die kleinen Momente, in denen sich entscheidet, ob Nähe wächst oder verloren geht.
Er sagt etwas, das sie anders sieht – sie rollt mit den Augen, er wird still.
Ein paar Minuten später sprechen beide über den Einkauf, aber innerlich sind sie schon ein Stück weiter voneinander weg.

Und manchmal passiert das Gegenteil:
Sie sagt leise: „Ich glaube, ich war heute ziemlich kurz angebunden.“
Er atmet durch, lächelt und fragt: „War’s stressig?“
Plötzlich ist wieder Verbindung da – nicht, weil das Problem gelöst wäre, sondern weil Wohlwollen da ist.

Was Forschung zeigt – das Prinzip der „Accepting Influence“

Der amerikanische Paarforscher John M. Gottman hat über Jahrzehnte hinweg untersucht, was glückliche Beziehungen von unglücklichen unterscheidet.
In seinem berühmten „Love Lab“ beobachtete er Paare im Gespräch – er maß Herzfrequenz, Mimik, Körpersprache und Wortwahl – und begleitete sie viele Jahre.

Eines seiner zentralen Ergebnisse:

Glückliche Paare lassen sich gegenseitig beeinflussen.

Dieses Prinzip nannte er Accepting Influence“:
Partner sind bereit, die Sichtweise des anderen einzubeziehen, sich berühren zu lassen, Kompromisse zu schließen – nicht aus Schwäche, sondern aus Vertrauen.

Gottman fand heraus:

In stabilen Beziehungen reagieren Partner offen und respektvoll, wenn der andere Wünsche oder Kritik äußert.

 In unglücklichen Beziehungen dagegen entstehen schnell Abwehr, Rechtfertigung oder Rückzug.

Besonders deutlich zeigte sich das bei Männern:
Männer, die sich nicht von ihrer Partnerin beeinflussen ließen, hatten laut Gottman eine 81 % höhere Wahrscheinlichkeit, dass ihre Ehe scheitert.

When a man is not willing to share power with his partner, there is an 81% chance that his marriage will self-destruct.

Gottman & Silver, 1999

Die Botschaft:

Sich beeinflussen zu lassen ist keine Schwäche – es ist ein Zeichen von Liebe, Vertrauen und psychologischer Reife.

Wohlwollen als Haltung

Wohlwollen heißt: Ich gehe davon aus, dass du es gut meinst.
Ich höre dir zu, auch wenn ich anders denke.
Ich halte mein Herz offen, auch wenn es unbequem ist.

Diese Haltung ist die Grundlage dafür, dass gegenseitige Beeinflussung überhaupt möglich wird.
Ohne Wohlwollen bleibt jedes Gespräch ein Machtkampf. Mit Wohlwollen wird es ein Tanz – mal führst du, mal ich, und am Ende bewegen wir uns gemeinsam.

Wenn es schwerfällt – warum wir manchmal dichtmachen

Abwehr oder Rückzug entstehen selten aus Lieblosigkeit.
Oft steckt etwas ganz anderes dahinter: Stress, Überforderung, alte Verletzungen, Angst, nicht gehört zu werden.
In solchen Momenten schützt sich jeder auf seine Weise – aber die Schutzmuster stoßen aufeinander.

Der Weg zurück zueinander beginnt, wenn einer innehält und sagt:

„Ich merke, ich gehe gerade innerlich auf Abstand. Lass uns kurz tief Luft holen und neu beginnen.“

Das ist Wohlwollen in Aktion. Kein großes Drama, sondern kleine Gesten, die Nähe wieder möglich machen.

Was andere Forschungen zeigen

Auch andere psychologische Ansätze bestätigen, was Gottman empirisch beobachtet hat:
Offenheit füreinander, emotionale Zugänglichkeit und gegenseitiger Einfluss sind die Nährstoffe stabiler Liebe.

Susan M. Johnson (EFT – Emotionsfokussierte Paartherapie)
spricht von der ARE-HaltungAccessible, Responsive, Engaged – also erreichbar, ansprechbar und engagiert.
Wohlwollen zeigt sich darin, dass wir emotional responsiv bleiben, auch wenn es schwierig wird.

Aron & Aron (Self-Expansion Theory)
beschreiben, dass wir uns in stabilen Beziehungen gegenseitig erweitern – durch den Einfluss des anderen wachsen wir.
Beeinflussung wird hier zum Ausdruck von Lebendigkeit und Entwicklung.

Carol Dweck (Mindset-Forschung)
zeigte, dass Menschen mit einem Wachstums-Mindset Fehler und Unterschiede als Lernchance sehen, nicht als Bedrohung.
Paare mit dieser Haltung können Konflikte nutzen, um sich besser zu verstehen – auch das ist Wohlwollen in Aktion.

Fazit – Wohlwollen kann man üben

Wohlwollen ist kein Zufallsprodukt – es ist eine Haltung, die man übern kann, eine bewußte Entscheidung, den Blick weich zu halten, auch wenn’s eng wird. Wohlwollen wächst, wenn wir neugierig bleiben, statt uns zu rechtfertigen und verteidigen.

Und es stärkt die Beziehung, weil es Vertrauen schafft: ich kann mich zeigen, und du bleibst mir zugewandt.

In der Paarberatung geht es genau darum: bewusster sprechen, hören, reagieren. Und manchmal heißt das eben auch, den Tonfall neu zu erfinden. Leider, leider – Übung macht auch hier das Liebes-Meisterpaar.

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Quellen:

Gottman, J. M. (1994). What Predicts Divorce? Hillsdale, NJ: Erlbaum.

Gottman, J. M. & Silver, N. (1999). The Seven Principles for Making Marriage Work. New York: Crown.

Johnson, S. M. (2008). Hold Me Tight. New York: Little, Brown.

Aron, A. & Aron, E. N. (1996). Self and Self-Expansion in Relationships. In Fletcher & Fitness (Eds.), Erlbaum.

Dweck, C. S. (2006). Mindset: The New Psychology of Success.