Familienaufstellungen: geniale Methode, die unschlagbar ist

Wie beginne ich eine Beschreibung zum Thema Familienaufstellungen, wo diese doch in den letzten 20 Jahren so kräftig in Verruf geraten sind?

Konfuzius würde so beginnen:

„Erzähle mir etwas, und ich werde es vergessen.

Zeige mir etwas, und vielleicht werde ich es erinnern.

Lass mich eine Erfahrung machen, und ich werde es verstehen.“

Und damit wäre für ihn auch schon das Wesentliche gesagt.

Aber ich will in diesem Beitrag eine Lanze brechen für die effektivste Methode, die ich in meinem inzwischen recht langen Therapeutinnenleben jemals erfahren habe, und die -durch ihren eigenen Kreateur in Verruf gebracht – seit einigen Jahren wieder zunehmend zu Ansehen kommt (was sie übrigens in kritischen Fachkreisen nie verloren hatte).

Die Anfänge der Familienaufstellung

In den 70er und 80er Jahren wurde das Familienstellen in Deutschland in weiten Teilen begründet durch den Psychotherapeuten Bernd Hellinger, der dabei auf bedeutende Erkenntnisse von Sigmund Freud und noch frühere zurückgriff. Er erweiterte diese und seine eigenen Erfahrungen mit dem ressourcenorientierten Ansatz von Milton H. Erickson und entwickelte daraus einen ebenso neuartigen wie brillanten eigenen Therapieansatz: „Familienaufstellungen nach Hellinger“.

Zu dieser Zeit berücksichtige sein Ansatz noch alle Regeln seriöser Psychotherapie, was zum Beispiel den Schutz der Privatsphäre, gründliche Anamnese oder Wissenschaftlichkeit anbelangt, und wurde e in der Fachliteratur entsprechend gewürdigt. In einer umfangreichen Studie wurde ihre Validität und Reliabilität nachgewiesen (Schlötter, 2004).

Hellers Methode kam aufgrund ihrer hohen Effektivität und Wirksamkeit in rascher Zeit zu unglaublicher Berühmtheit. Ich hörte von ihm in den 1990er Jahren über meine Freundin, die eine seiner Sessions live miterlebt hatte und ebenso irritiert wie begeistert war. 

Der Boom und seine Folgen

Begeistert, weil sie wahrgenommen hatte, wie wirksam die Methode Hellingers half, Belastungen und krankmachende Verhaltensweisen auszumachen und aufzulösen. Irritiert über die nahezu brutale Offenheit, mit der Gefühle in aller Öffentlichkeit auf Bühnen exploriert wurden. Zu dieser Zeit war Hellingers Methode bereits so bekannt, dass er dazu übergegangen war, Familienaufstellungen in großen Hallen durchzuführen.

Ich lebte damals bereits in der Türkei und schaute mir zahlreiche Videos an, in denen seine Aufstellungen mitgeschnitten worden waren. Vom ersten Moment an war ich fasziniert und begeistert. Hellingers Ansatz samt seiner Bücher verbreiteten sich damals über die deutschen Grenzen hinweg, und so erlebte ich in der Türkei recht bald, dass „Familienaufstellungen nach Hellinger“ von allem möglichen Therapeutinnen und Therapeuten angeboten wurden, die sich schlicht die Videos ausführlich angesehen hatten und nun ganz nach dem Vorbild aus den Videos Familienaufstellungen anboten. 

Sie folgten dabei in der Ausführung dem Weg ihres großen Vorbilds Hellinger, der zu dieser Zeit bereits den Prozess stark verkürzte, indem er aus Gründen der prägnanten Demonstration die unabdingbare Exploration der Vorgeschichte wegließ. Das führte dazu, dass Therapeut*innen wesentliches Hintergrundwissen fehlte und Klient*innen sich nicht in den Prozess einfinden konnten.

So entstand damals der Eindruck, dass die Kunst der Familienaufstellung leicht zu erlernen sei, und demensprechend zweifelhaft entwickelte sich die Qualität der Psychotherapieangebote dazu. Hellinger selbst entwickelte sich ebenfalls in eine Richtung, die befremdlich anmutet, und ruinierte damit seine eigene, brillante Therapiemethode.

Genialer Therapieansatz

Dennoch sind Familienaufstellungen ein genialer Therapieansatz, von dem ich seit über 30 Jahren überzeugt bin. 2018 habe ich mir schließlich gegönnt, eine fundierte Ausbildung dazu bei Andreas Steiner zu machen. Andreas ist Diplom-Psychologe und ein vielseitiges Multitalent: zugleich Karikaturist, Schriftsteller und Musiker, was die Ausbildung bei ihm nicht nur höchst amüsant und kurzweilig, sondern auch durch die diversen Lehrmethoden erlebbar und nachhaltig einprägsam gemacht hat. Ein unvergessliches Erlebnis ist dabei all das gewesen, was ich in meinem eigenen Aufstellungsprozess und in denen meiner Kolleginnen und Kollegen erleben durfte. Jahrzehntelang ungeklärte Fragen lösten sich auf, Angst vor großen Gefühlen gibt es seither nicht mehr. 

Im Lauf der Ausbildung wurde mir jedoch auch klar, dass das Familienstellen prozesshaft im Lauf einer Woche durchlebt werden muss, was ein entsprechendes Gruppensetting erfordert. Mir wurde zudem klar, dass ich Andreas noch eine ganze Weile begleiten muss, um selbst die hohe Kunst des Aufstellens anbieten zu können. 

Aber die bereits oben erwähnte unabdingbare Exploration von Lebensgeschichten und Biografien bietet im Rahmen einer systemisch orientierten Therapie auch ohne Aufstellung so viele Möglichkeiten, Klientinnen und Klienten zu unterstützen. Hierzu gehören u. a. die Skript-Diagnostik oder Elemente aus der Transaktionsanalyse, die hilfreich sind, um eigene Ressourcen wieder- oder ganz neu zu entdecken, alte Lasten und Verstrickungen auszumachen und Lösungen zu entwickeln, diese abzuladen. 

Neugierig geworden? Hoffentlich!

Und wer mag, kann dann – auf diese Weise bestens vorbereitet – mit Andreas Steiner eine Woche nach Österreich gehen, um fern des Alltags sich intensiv der Aufstellung der eigenen Familie zu widmen.

Steiner, Andreas (2020): Die Kunst der Familienaufstellung. Ein Praxislehrbuch der Empirischen Psychotherapie. Verlag w. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Schlötter, Peter (2004): Vertraute Sprache und ihre Entdeckung. Systemaufstellungen sind kein Zufallsprodukt – ein empirischer Nachweis. Heidelberg: Carl Auer Verlag.